PROGRAMM 2021

ON THE EDGE #9 wird von den Residenz-Künstler*innen eröffnet: Vier Künstler*innen aus Österreich, Deutschland, Luxemburg und der Schweiz wurden im Rahmen des circus re:searched Programms eingeladen ihre aktuellen Projekte und Forschungen während zwei-wöchigen Studio-Residenzen zu vertiefen oder bestehende Arbeiten zu präsentieren.

Die Performances von Anne Kugener und Julian Vogel beschäftigen sich beide mit der Schnittstelle von Zirkus und Bildender Kunst. Das Duo Maja Karolina Franke und Ralph Öllinger untersucht das Geschlechterverhältnis und die Rollenverteilung in der partnerakrobatischen Praxis. Hier schließt auch die Künstlerin Kathrin Wagner an, die ihre Rolle und Erfahrungen als Frau und Performerin in der Zirkuswelt reflektiert. 

Anne Kugener (LUX/AT)

Im Rahmen der circus re:searched-Residenz setzt Anne Kugener ihre Forschungsreihe zu Objekten fort. Ausgangspunkt ist die Frage nach der Wirkung von unterschiedlichen Objekten im Raum und das Verhältnis von performativen und installativen Elementen. Stehende, hängende und liegende Objekte werden in Bezug gesetzt zum eigenen Körper und dabei spielerisch erforscht. 

CHINA SERIES #3 - Julian Vogel (CH)

Verteilt im Raum hängen zerbrechliche Kugeln von der Decke, zusammengesetzt aus zwei Keramik-Schalen, die das Jonglage-Objekt Diabolo imitieren. Wie analoge Metronome lassen diese Pendel Form, Rhythmus und Musikalität entstehen und kreieren eine audio-visuelle Erfahrung mit hypnotischem Charakter. Der Performer bewegt die Objekte, wird von ihnen bewegt und wird fast – so scheint es – selbst zu einem Objekt.

Maja Karolina Franke und Ralph Öllinger (AT)

Gemeinsam mit Ralph Öllinger hinterfragt Maja Karolina Franke tradierte Rollenbilder und deren Reproduktion in der partnerakrobatischen Praxis:
„Es ist an der Zeit mein Handwerkszeug unter eine feministische Lupe zu nehmen. Welche Aspekte der Technik orientieren sich an den Genderklischees, welche vielleicht nicht und wie kann ich diese choreografisch nutzen? Mich interessieren verschiedene Perspektiven: körperlich wie auch sozial. Konkret möchte ich mit Körpern verschiedene Thesen, Strukturen und Machtverhältnisse erforschen.“ (Maja Karolina Franke)

I WAS TOLD - Kathrin Wagner (DE)

Kathrin Wagner erforscht während circus re:searched die Wahrnehmung des Publikums auf ihre eigene Rolle als Performerin und Frau auf der Bühne. Aus persönlichen Erfahrungen mit Sexismus und Berichten anderer Performerinnen entstand das Slam-Gedicht I was told, welches zusammen mit dem Text Love Letter to myself Ausgangspunkt für die aktuelle Kreation ist.
Nachdem Jonglage und Poetry Slam von der Künstlerin als separate Disziplinen erlernt wurden, entstand der Drang, eine tiefere Verbindung zwischen den beiden Disziplinen zu schaffen. In der Kombination aus gesprochener Sprache und Jonglage bereichern sich beide Disziplinen gegenseitig und verändern die Wahrnehmung des Publikums auf die einzelnen Genres. 

KÜNSTLER*INNEN-GESPRÄCH - Margarete Affenzeller (DerStandard)

Im Anschluss an das experimentelle Performance-Format circus re:searched fand ein Podiumsgespräch mit den Künstler*innen statt: Anne Kugener, Julian Vogel, Maja Karolina Franke, Ralph Öllinger und Kathrin Wagner reflektierten ihren Arbeitsprozess, künstlerische Herangehensweisen und Praxen. Das Gespräch wurde von der Journalistin und Theaterkritikerin Margarete Affenzeller geleitet. Dies ermöglichte zusätzliche Perspektiven auf den Kreationsprozess.

IN THE MAZE OF YOUR PERCEPTION, I RESONATE… - Kreusch_Salustri (IT/DE/AT)

In the maze of your perception, I resonate... ist eine interdisziplinäre Rauminstallation: Kleine Publikumsgruppen können diese gemeinsam begehen und Klanginstallationen, Videokunst und interaktive Skulpturen eigenständig erkunden.
Zirkuskörper und -disziplinen werden dekonstruiert und Zirkusgesten und -objekte werden in einen neuen Kontext gesetzt. 
Die Infragestellung etablierter Blickwinkel eröffnet auch den Besucher_innen neue Perspektiven auf das Genre Zirkus.

EXTREME SYMBIOSIS - Acrobalance (SE)

Henrik Agger und Louise von Euler Bjurholm präsentieren eine intime 55-minütige dokumentarische (Lecture) Performance, die den Zuschauer*innen einen Einblick in ihre Arbeit, Praxis und ihr Leben als Paarakrobat*innen gibt. Indem sie die Bedeutung eines konstanten geistigen und körperlichen Trainings in ihrer Kunstform zeigen und hervorheben, hoffen sie, unser Verständnis für diese Kunstform zu erweitern.

“Was geschieht in der Interaktion zwischen uns, wenn wir unsere Praxis ausüben? Eine Zusammenarbeit zwischen Körper und Geist, individuellen Systemen und gemeinsamen Sinnen. Eine langjährige Partnerschaft, die auf extremem Vertrauen basiert und in der Praxis täglich herausgefordert wird.”

CUIR - Arno Ferrera und Gilles Polet / Un loup pour l’homme (FR)

Zwei Männer, zwei Ledergeschirre. Was wie ein Spiel um Dominanz und Unterwerfung aussieht, entpuppt sich als subtiles Duett, das unser Verlangen nach gegenseitigem Verständnis erforscht. Un loup pour l‘homme benutzt die Geschirre - die normalerweise von Zugpferden getragen werden - um die Seele des Menschen zu durchpflügen und die Zerbrechlichkeit unserer persönlichen Beziehungen aufzudecken. Cuir ist eine akrobatische Tour de Force bei der die Energie in jeder Sekunde auf’s Publikum überspringt.

CHINA SERIES #11 (INSTALLATION) - Julian Vogel (CH)

Im interdisziplinären Projekt CHINA SERIES verbindet der Schweizer Künstler Julian Vogel zeitgenössische Performance, Installation, Zirkus und Tanz zu einem vielschichtigen Ganzen. Das Projekt wächst stetig und besteht aus verschiedenen, immer wieder neu interpretierten Teilen. Es ist eine Art Forschungslabor rund um das Thema Diabolo. 
In der bewegten Installation CHINA SERIES #11 hängen Keramik-Kugeln von der Decke im Foyer. Angedreht durch kleine Motoren schwingen diese Pendel von Zeit zu Zeit im Kreis, weit und eng, synchron und asynchron. Die Besucher_innen können durch die Installation gehen und sich dabei leiten lassen oder unbekannte Wege entdecken – eine stille Symphonie der Bewegung zwischen Objekten und Menschen.

CARRYING MY FATHER (FOTO- UND VIDEO-AUSSTELLUNG + FILMABEND) - Toon Van Gramberen / THERE THERE Company (BE)

Der Akrobat Toon Van Gramberen setzt sich seit einigen Jahren mit dem alternden Körper auseinander. Sein Vater erklärte sich bereit, ihn in einem gemeinsamen Forschungs-Prozess zu begleiten. Er ist sechzig Jahre alt und hat keinerlei akrobatische Vorkenntnisse. Dies war der Anfang von Carrying my father, einem Bühnenstück, welches mittlerweile vier Akrobaten und ihre Väter involviert.
“Mich beschäftigt die Unausweichlichkeit der Zeit, die den menschlichen Körper und seine Möglichkeiten verändert. Aber auch die Veränderung der Vater-Sohn-Beziehung, wenn wir den Wendepunkt der Fürsorge erfahren. Die Erkenntnis, dass ich eines Tages meinen Vater tragen werde, so wie er mich trug. Sowohl wörtlich als auch metaphorisch.” (Toon Van Gramberen)

PROJET GRAND MÈRE / VERENA (FOTO- UND VIDEO-AUSSTELLUNG + FILMABEND) - Alexandre Fray / Cie Un loup pour l’homme (FR)

Das Projet Grand Mère vom Akrobaten Alxandre Fray untersucht die Geste des Tragens im Rahmen einer Recherche mit älteren Menschen. Tragen als Symbol des ‚Sich Kümmerns‘. Es geht ihm darum sich Zeit zu nehmen, miteinander in Beziehung zu treten, viel zuzuhören und eine Atmosphäre zu schaffen, die Vertrauen und Verbundenheit fördert.

Gemeinsam mit älteren Frauen, welche nie oder selten getragen wurden, hinterfragt der Akrobat die Herausforderungen einer Disziplin, die vom Horizont der Höchstleistungen und Virtuosität oft in den Schatten gestellt wird: Was bedeutet es sich den Gesetzen des Gleichgewichts und der Schwerkraft zu widersetzen, wenn Gelenke rosten und Muskeln schmelzen? Wie kann man ‚loslassen‘ wenn der Körper dies verlernt um sich selbst zu schützen? Was bedeutet Virtuosität für den alternden Körper - kann auf einem Bein stehen das selbe Risiko kommunizieren wie ein Rückwärtssalto mit 80 Jahren? 

CIRCUS ((VIDEO-) INSTALLATION) - Arne Mannott (AT/DE)

10 Akteur*innen verschiedenen Alters, verschiedener Herkunft und mit ganz diversen Hintergründen wurden zu ihrer Sichtweise zu Zirkus befragt. Im Fokus der Interviews steht die Frage nach dem „Was ist eigentlich Zirkus?“ – und damit auch danach, wodurch sich die Kunstform Zirkus selbst definiert und welche besonderen Merkmale dabei zustande kommen. Die Porträtierten sind alle seit Jahren oder Jahrzehnten in der Zirkuskunst tätig und treten für dieses Video in einen ganz persönlichen Dialog mit sich selbst.